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Bauernblockaden im Vergleich zu Klimaaktivisten: Eine Betrachtung aus rechtlicher Sicht.

Die Versammlungsfreiheit ist ein wichtiges Recht in einer Demokratie.
Sie erlaubt es den Bürgern, ihre Meinung zu äußern, ihre Interessen zu vertreten und ihre Forderungen zu stellen. Doch wo endet die Versammlungsfreiheit und wo beginnt die Strafbarkeit? Diese Frage stellt sich immer wieder, wenn Protestbewegungen auf zivilen Ungehorsam setzen und damit die öffentliche Ordnung stören oder gar gefährden. Ein bekanntes Beispiel hierfür ist der Fall von Alexander Schubart, auch bekannt als ‚Aschu‘. Im Jahr 1981 wurde er zu einer Bewährungsstrafe verurteilt, weil er zu einer Blockade des Frankfurter Flughafens aufgerufen hatte, um die Landesregierung dazu zu bringen, ihre Politik zu ändern. Dieser Fall ist bis heute umstritten und wirft die Frage auf, wie solche Aktionen rechtlich bewertet werden sollten.

In diesem Artikel vergleiche ich zwei aktuelle Protestbewegungen, die auf zivilen Ungehorsam setzen: die Bauernblockaden und die Klimaaktivisten. Ich untersuche, welche Straftatbestände für ihre Aktionen in Betracht kommen und wie sie sich von dem Fall von Aschu unterscheiden. Dabei konzentriere ich mich vor allem auf die Nötigung von Verfassungsorganen nach § 105 StGB und den Versuch der Nötigung von Verfassungsorganen nach § 23 Abs. 1 StGB. Ich werde die rechtlichen Voraussetzungen, Rechtfertigungsmöglichkeiten und Strafmaße erläutern. Außerdem untersuche ich die

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Dafür wurden Traktoren entwickelt

gesellschaftlichen und politischen Folgen solcher Aktionen und zeige die Grenzen des zivilen Ungehorsams auf.

Seit Anfang Januar protestieren Tausende von Bauern in ganz Deutschland gegen die geplante Abschaffung der Agrardiesel-Subventionen. Sie blockieren mit ihren Traktoren Straßen, Autobahnen, Flughäfen und andere wichtige Verkehrsknotenpunkte. Die Bauern fordern die Bundesregierung auf, ihre Entscheidung zu revidieren und die Landwirtschaft stärker zu unterstützen. Die Bauern sehen sich in ihrer Existenz bedroht und beklagen die mangelnde Wertschätzung ihrer Arbeit.

Parallel dazu existiert eine weitere Protestbewegung, die ebenfalls auf zivilen Ungehorsam setzt: die ‚Letzte Generation‘. Dieses Bündnis von Klimaaktivisten hat sich 2021 nach einem Hungerstreik in Berlin gegründet und fordert von Politik und Gesellschaft mehr Klimaschutz. Die Aktivisten blockieren nicht nur Straßen, sondern auch Pipelines, Kraftwerke, Banken und andere Einrichtungen, die sie für klimaschädlich halten. Die Aktivisten fordern ein Tempolimit von 100 km/h auf Autobahnen, ein dauerhaftes Neun-Euro-Ticket für den öffentlichen Nahverkehr und einen Gesellschaftsrat, der das Ende der Nutzung fossiler Brennstoffe bis 2030 plant. Sie sehen sich als die letzte Generation, die den Klimakollaps noch aufhalten kann, und kritisieren die Untätigkeit der Politik.

Beide Protestbewegungen haben etwas gemeinsam: Sie berufen sich auf das Grundrecht der Versammlungsfreiheit und sind bereit, die Grenzen des Rechtsstaats zu überschreiten, um ihre Ziele zu erreichen. Doch wie sind ihre Aktionen rechtlich zu bewerten? Welche Straftatbestände kommen in Betracht? Und wie unterscheiden sich die Bauernblockaden von den Klimaaktivisten in juristischer Hinsicht?

Nötigung von Verfassungsorganen nach § 105 StGB

Möglicherweise könnte sowohl für die Bauernblockaden als auch für die Klimaaktivisten der Straftatbestand der Nötigung von Verfassungsorganen nach § 105 StGB relevant sein. Dieser Paragraf stellt es unter Strafe, ein Gesetzgebungsorgan, die Bundesversammlung, die Regierung oder das Verfassungsgericht des Bundes oder eines Landes rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt zu nötigen, ihre Befugnisse nicht oder in einem bestimmten Sinne auszuüben. Die Strafe für Nötigung beträgt in der Regel ein Jahr bis zu zehn Jahren Freiheitsentzug. In minder schweren Fällen beträgt die Strafe sechs Monate bis zu fünf Jahren.

Es stellt sich die Frage, ob die Protestaktionen der Bauern und Klimaaktivisten als Nötigung gelten. Dabei sind vor allem zwei Aspekte zu berücksichtigen: das Nötigungsmittel und das Nötigungsziel.

Das Nötigungsmittel muss Gewalt oder Drohung mit Gewalt sein. Gewalt bezeichnet nicht nur körperliche Übergriffe gegen Personen, sondern auch gegen Sachen oder Dritte, wenn dadurch ein Druck auf ein Verfassungsorgan ausgeübt wird. Eine Drohung ist die Ankündigung einer künftigen Gewalt. Dabei muss die Gewalt oder Drohung rechtswidrig sein und darf nicht durch eine Rechtfertigungsgrundlage wie Notwehr oder Notstand gedeckt sein.

Man könnte argumentieren, dass die Verwendung von Traktoren bei den Bauernblockaden eine Form von Sachbeschädigung oder Nötigung darstellt, die darauf abzielt, Druck auf die Regierung auszuüben, um ihre Entscheidung zu ändern. Allerdings ist die Schwelle für die Annahme von Gewalt im Rahmen von § 105 StGB höher als bei anderen Straftatbeständen. Es genügt nicht, dass eine körperliche Einwirkung erfolgt. Es muss ein solcher Druck entstehen, dass der Wille des Verfassungsorgans gebrochen wird. Verfassungsorgane sollten in der Lage sein, auch in heftigen politischen Auseinandersetzungen Drucksituationen standzuhalten. Ob dies bei den Bauernblockaden der Fall ist, hängt von den Umständen der jeweiligen Aktion ab.

Man könnte argumentieren, dass die Blockierung von Infrastrukturen oder Einrichtungen durch Klimaaktivisten eine Form von Gewalt gegen Sachen oder Dritte darstellt. Dies übt Druck auf die Regierung oder andere Verfassungsorgane aus, ihre Klimapolitik zu ändern. Die Annahme von Gewalt im Rahmen von § 105 StGB setzt jedoch eine hohe Schwelle voraus. In einigen Fällen könnte man eine Rechtfertigung durch Notstand nach § 34 StGB anführen. Die Aktivisten müssen glaubhaft machen können, dass sie eine gegenwärtige Gefahr für das Klima und das Leben vieler Menschen abwenden wollten und dass dies das mildeste Mittel war. Allerdings ist dies eine sehr umstrittene Frage, die von der Rechtsprechung noch nicht abschließend geklärt ist.

Das Nötigungsziel muss die Nichtausübung oder bestimmte Ausübung der Befugnisse des Verfassungsorgans sein. Es handelt sich dabei um eine konkrete Handlung oder Unterlassung, die in den Zuständigkeitsbereich des Verfassungsorgans fällt. Eine allgemeine politische Forderung, die das Verfassungsorgan nicht unmittelbar erfüllen kann, reicht nicht aus.

Bei den Bauernblockaden könnte man argumentieren, dass das Ziel der Nötigung die Rücknahme der geplanten Abschaffung der Agrardiesel-Subventionen ist. Dies ist eine konkrete Handlung, die in den Zuständigkeitsbereich der Regierung fällt. Allerdings könnte man auch einwenden, dass die Bauern nicht direkt die Regierung nötigen, sondern nur ihren Unmut kundtun und auf ihre Situation aufmerksam machen wollen. Ob dies eine Nötigung im Sinne von § 105 StGB darstellt, hängt von der Intensität und Dauer der Blockaden ab.

Bei den Klimaaktivisten könnte man argumentieren, dass das Nötigungsziel die Umsetzung ihrer Forderungen nach einem Tempolimit, einem Neun-Euro-Ticket und einem Gesellschaftsrat ist. Diese Forderungen fallen in den Zuständigkeitsbereich der Regierung oder des Gesetzgebers. Allerdings könnte man hier einwenden, dass die Aktivisten lediglich ihren Protest ausdrücken und eine gesellschaftliche Debatte anstoßen wollen. Ob dies eine Nötigung im Sinne von § 105 StGB darstellt, ist ebenfalls eine Frage des Einzelfalls und hängt von der Art und Weise der Aktionen ab.

Es handelt sich hierbei um einen Versuch der Nötigung von Verfassungsorganen nach § 23 Abs. 1 StGB.

Möglicherweise kommt eine Versuchsstrafbarkeit nach § 23 Abs. 1 StGB in Betracht, selbst wenn die Protestaktionen der Bauern und Klimaaktivisten keine vollendete Nötigung von Verfassungsorganen nach § 105 StGB darstellen. Ein Verbrechen wird stets bestraft, der Versuch eines Vergehens nur dann, wenn das Gesetz es ausdrücklich bestimmt. Da § 105 StGB ein Verbrechen ist, ist auch der Versuch strafbar. Der Versuch kann milder bestraft werden als die vollendete Tat (§ 49 Abs. 1 StGB).

Für eine Versuchsstrafbarkeit ist ein Tatentschluss der Versammlungsteilnehmer notwendig. Der Tatentschluss beinhaltet den Vorsatz hinsichtlich aller objektiven Tatbestandsmerkmale und die sonstigen subjektiven Unrechtsmerkmale. Insbesondere muss sich der Versammlungsteilnehmer darüber im Klaren sein, dass er eine strafbare Handlung begehen will.

Die Letzte Generation – Klimaaktivismus | Deine tägliche Dosis Politik – bpb

„Letzte Generation“ – Aktuelle Nachrichten und Hintergründe – ZDF

Wie schlecht geht es den Bauern wirklich? – ZDFheute – ZDFmediathek

§ 105 StGB – Nötigung von Verfassungsorganen – dejure.org

Versuch der Nötigung von Verfassungsorganen (§ 105 StGB) im Rahmen öffentlicher Versammlungen – Bundestag

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