
Papst Franziskus – Abschied von einem Hirten der Ränder
Papst Franziskus ist tot. Er war der Papst der Armen, der Ausgestoßenen – und einer, der die katholische Kirche ins 21. Jahrhundert führen wollte. Was bleibt?
Er wohnte nicht in den päpstlichen Gemächern. Er verzichtete auf den roten Samtmantel und die goldene Mozetta. Er trat in Turnschuhen auf, fuhr manchmal im Kleinwagen und lächelte oft, was mehr sagte als Worte. Nun ist Papst Franziskus gestorben. Mit ihm verliert die katholische Kirche ihren wohl größten Reformer seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil – und die Welt eine Stimme, die weit über die Grenzen des Christentums hinaus Hoffnung gab.
Als Jorge Mario Bergoglio im März 2013 auf dem Balkon des Petersdoms erschien, ahnte kaum jemand, dass dieser unscheinbare Jesuit aus Buenos Aires das Papsttum von Grund auf verändern würde. In seinen ersten Worten steckte bereits alles, was ihn ausmachen sollte: Er bat um das Gebet der Menschen – bevor er selbst sie segnete.
Eine Stimme für die Stimmlosen
Franziskus holte den globalen Süden in das Herz der Kirche zurück. In seiner Umweltenzyklika Laudato si’ nannte er den Klimawandel eine Frage der Gerechtigkeit zwischen Nord und Süd. In Evangelii Gaudium geißelte er eine „Wirtschaft, die tötet“ – Worte, die Wirtschaftsführer ebenso aufhorchen ließen wie Aktivisten.
Legendär blieb seine Antwort auf die Frage nach homosexuellen Priestern: „Wer bin ich, um zu urteilen? “ Dieser Satz entfaltete mehr Wirkung als manches päpstliche Schreiben. Franziskus verurteilte nie Menschen – er verurteilte Strukturen der Ungerechtigkeit, der Ausgrenzung, der Gewalt.
Er rief zur Abrüstung auf, verurteilte Kriege als „immer eine Niederlage“, besuchte Flüchtlingslager, küsste die Füße sudanesischer Bürgerkriegsparteien – Gesten, die aufrüttelten. Viele sahen in ihm den „moralischen Kompass der Welt“, gerade jene, die der Institution Kirche längst den Rücken gekehrt hatten.
Der unbequeme Reformer
Doch Franziskus war nicht nur barmherzig. Er reformierte unermüdlich. Die vatikanische Kurie, jahrzehntelang ein schwerfälliges Geflecht aus Behörden und Intrigen, ordnete er neu. Mit der Apostolischen Konstitution Praedicate Evangelium setzte er 2022 ein Reformwerk in Kraft, das Evangelisierung und Transparenz in den Mittelpunkt stellte. Laien, darunter erstmals auch Frauen, bekamen Schlüsselpositionen. Finanzstrukturen wurden offengelegt, Skandale nicht mehr vertuscht.
Natürlich stieß er auf Widerstand. Kuriale Seilschaften, traditionalistische Kreise – sie alle versuchten, seine Reformen zu bremsen. Aber Franziskus blieb standhaft. Er wusste, dass echte Veränderung Geduld und Sturheit braucht.
Getrieben von Nähe
Was trieb ihn an? Vielleicht verstand man ihn am besten, wenn man ihn in einer seiner unzähligen Begegnungen sah: beim Gespräch mit einer Putzfrau, beim Telefonat mit einem Gefängnisinsassen, beim stillen Gebet an einer Migrantenbarriere. Franziskus glaubte nicht an eine Kirche der Eliten, sondern an eine Kirche des Volkes. Er war ein Jesuit, gelehrt in der Kunst der Unterscheidung – und ein Franziskaner im Herzen, verliebt in die Einfachheit.
Sein Blick richtete sich stets auf die, die am Rand standen. Und so sehr er um die Struktur der Kirche rang – wichtiger war ihm immer der einzelne Mensch. Nicht Regeln und Dogmen bestimmten seine Theologie, sondern die Nähe zu den Leidenden, den Übersehenen.
Was bleibt
Papst Franziskus hat die katholische Kirche nicht vollkommen verändert. Er legte ihre Widersprüche offen, machte ihre Zerreißproben sichtbar. Aber er zeigte der Welt, dass eine religiöse Stimme nicht laut, nicht triumphalistisch sein muss – sondern leise, barmherzig, kompromisslos in der Liebe.
Sein Tod reißt eine Lücke. Nicht nur in Rom. Sondern überall, wo Menschen glaubten, dass die Welt noch nicht verloren ist, solange einer wie er ihr Vater sein kann.
Wichtige Stationen im Leben von Papst Franziskus
– 17. Dezember 1936
Jorge Mario Bergoglio wird in Buenos Aires, Argentinien, geboren. Sohn italienischer Einwanderer.
– 1958
Tritt in den Jesuitenorden ein – die Ausbildung prägt ihn: Disziplin, intellektuelle Strenge, spirituelle Tiefe.
– 13. Dezember 1969
Wird zum Priester geweiht. Arbeitet später in Armenvierteln von Buenos Aires.
– 1973–1979
Provinzial der Jesuiten in Argentinien – in politisch unruhiger Zeit. Erlebt die „schmutzige Zeit“ der Militärdiktatur.
– 1992
Ernennung zum Weihbischof von Buenos Aires durch Papst Johannes Paul II.
– 1998
Wird Erzbischof von Buenos Aires. Bekannt für seine Bescheidenheit: verzichtet auf Residenz, fährt Bus.
– 2001
Kardinalserhebung durch Papst Johannes Paul II. – erste weltweite Aufmerksamkeit.
– 13. März 2013
Wahl zum Papst. Nimmt den Namen „Franziskus“ an – ein Signal der Armut und Friedensliebe.
– 2015
Veröffentlicht die Umweltenzyklika Laudato si’ – ein Weckruf an die Weltgemeinschaft.
– 2016
Jubeljahr der Barmherzigkeit. Franziskus öffnet symbolisch Türen für alle, die die Kirche lange ausgeschlossen hatte.
– 2022
Verabschiedung der Kurienreform Praedicate Evangelium. Erste tiefgreifende Umstrukturierung der vatikanischen Behörden seit Jahrzehnten.
– 2023–2024
Start der Weltsynode zur Synodalität: Versuch, die gesamte Kirche in einen globalen Dialog einzubinden.
– 27. April 2025
Papst Franziskus stirbt im Vatikan. Die Welt trauert um einen Papst, der nicht herrschen, sondern dienen wollte.
Fünf Zitate, die Papst Franziskus unvergesslich machen
1. Über Mitgefühl:
„Die Wirklichkeit ist wichtiger als die Idee.“
(Evangelii Gaudium, 2013)
2. Über die Kirche:
„Die Kirche ist wie ein Feldlazarett: Man muss zuerst die Wunden heilen, bevor man alles andere diskutiert.“
3. Über Homosexualität:
„Wenn jemand homosexuell ist, den Herrn sucht und guten Willen zeigt – wer bin ich, ihn zu verurteilen?“
(Interview 2013)
4. Über die Umwelt:
„Wir sind nicht die Besitzer der Erde. Wir sind ihre Hüter.“
(Laudato si’, 2015)
5. Über Armut und Gerechtigkeit:
„Eine Kirche, die arm ist und für die Armen – das wünsche ich mir.“
Bildquellen
- st-peters-basilica-4776132: Bild von Volker Glätsch auf Pixabay
- st-peters-basilica-2707204: Bild von Annett_Klingner auf Pixabay
- rome-7246885: Bild von Leonhard Niederwimmer auf Pixabay
- rome-4691271: Bild von Pete auf Pixabay
- rome-3021586: Bild von Julius Silver auf Pixabay
- papst_franziskus: KI generiert


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