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Artensterben als Anklage gegen die Menschheit

In der Geschichte unseres Planeten hat die Natur eine Vielfalt an Lebensformen hervorgebracht. Doch heute, in einer Zeit, in der die Menschheit die Welt um sich herum formt und dominiert, verblasst diese Vielfalt in bedrohlichem Ausmaß. Das Artensterben ist eine Folge der rücksichtslosen Zerstörungskraft, die die Menschheit auf die Erde entfesselt hat.

Der Amurleopard ist eine gefährdete Art und ein trauriges Beispiel für das Ausmaß der Bedrohung. Diese majestätischen Großkatzen waren einst in weiten Teilen Ostasiens beheimatet und kämpfen heute ums Überleben. Mit weniger als 100 Individuen in freier Wildbahn sind sie akut vom Aussterben bedroht. Die Wilderei und der Verlust des Lebensraums durch menschliche Aktivitäten haben dazu geführt, dass diese faszinierende Art vom Aussterben bedroht ist.

Das Javanashorn, eine weitere Spezies am Rande des Abgrunds, veranschaulicht die verheerenden Auswirkungen des Artenschwunds. Mit nur noch einer Handvoll Exemplaren auf der Insel Java ist diese Unterart des Panzernashorns kurz davor, auszusterben. Die Entwaldung und der illegale Handel mit Nashornhörnern haben zu einem dramatischen Rückgang dieser ikonischen Art geführt.

Das Nördliche Breitmaulnashorn steht am Rande des Aussterbens, mit nur noch zwei lebenden Individuen, beide Weibchen namens Najin und Fatu. Forscher und Naturschützer setzen auf Fortschritte in der In-vitro-Fertilisationstechnologie (IVF), um die Nördlichen Breitmaulnashörner zu retten. Ein internationales Expertenteam hat begonnen, Eizellen von den verbliebenen Weibchen zu entnehmen und sie mit eingefrorenem Sperma von verstorbenen Nördlichen Breitmaulnashorn-Männchen zu befruchten. Die befruchteten Eizellen werden dann in eine Unterart des Breitmaulnashorns übertragen, dem Südlichen Breitmaulnashorn, das zwar verwandt ist, aber nicht vom Aussterben bedroht ist.

Der majestätische Indus, einer der großen Flüsse unseres Planeten, beherbergt eine einzigartige und gefährdete Spezies – den Indus-Delfin. Seine leisen Rufe haben sich über die Jahrhunderte durch die Wasserwege Nordpakistans geschlängelt. Doch nun wird dieser sanfte Flussbewohner von einem bedrohlichen Schicksal heimgesucht: dem drohenden Aussterben.

Die Indus-Delfine zählen mit geschätzten 1.200 Individuen in freier Wildbahn zu den seltensten Delfinarten der Welt. Ihr Lebensraum ist stark fragmentiert, da Dämme, Staudämme und Wasserentnahmeprojekte den Indus in Abschnitte unterteilen und die Bewegungen der Delfine stark beeinträchtigen. Der Mensch, der einst im Einklang mit dem Fluss lebte, hat durch seine rücksichtslose Entwicklung den Lebensraum der Indus-Delfine dramatisch verändert.
Das drohende Aussterben der Indus Delfine mahnt uns, dass es höchste Zeit ist, Maßnahmen zu ergreifen, um die Schönheit und Vielfalt unserer natürlichen Lebensräume zu bewahren. Der Indus selbst ruft uns auf, gemeinsam Verantwortung zu übernehmen und eine Zukunft zu gestalten, in der Mensch und Natur im Einklang miteinander existieren können.

Der Amazonas-Regenwald, der als ‚die Lunge der Erde‘ bekannt ist, steht ebenfalls vor einer Katastrophe des Artensterbens. Der Verlust von Millionen Hektar Waldfläche hat zahllose Pflanzen- und Tierarten aus ihren natürlichen Lebensräumen vertrieben. Der Goldabbau, die illegalen Rodungen und der zunehmende Druck durch die Landwirtschaft setzen den Regenwald und seine einzigartige Biodiversität einem nie dagewesenen Stress aus.

Schätzungsweise eine Million Tier- und Pflanzenarten weltweit sind vom Aussterben bedroht. Dieses massenhafte Sterben hat weitreichende Auswirkungen auf Ökosysteme, die Stabilität der Natur und letztendlich auch auf die Menschheit. Der Verlust von Biodiversität beeinträchtigt nicht nur die Nahrungsketten, sondern schwächt auch die Widerstandsfähigkeit gegenüber Krankheiten und dem Klimawandel.

Das Artensterben ist nicht nur eine Tragödie für die betroffenen Spezies, sondern ein schmerzhaftes Spiegelbild unserer eigenen rücksichtslosen Handlungen. Es ist an der Zeit, dass die Menschheit aufhört, die Natur als endloses Reservoir von Ressourcen zu betrachten und beginnt, sie als das zu schätzen, was sie wirklich ist: ein komplexes Netzwerk des Lebens, in dem jedes Glied eine wichtige Rolle spielt. Das Schicksal gefährdeter Arten ist eng mit unserem eigenen verknüpft, und es liegt in unserer Macht, diese Anklage gegen uns zu wenden, bevor es zu spät ist.

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