
Spahns gefährlicher Kurzschluss
Man wird doch wohl noch kuscheln dürfen.
Demokratie schützt man nicht durch Gleichbehandlung von Feinden der Demokratie.
Jens Spahn, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der CDU/CSU, hat sich für einen neuen Umgang mit der AfD im Bundestag ausgesprochen. Man solle die Partei in den parlamentarischen Abläufen behandeln wie jede andere Oppositionspartei – nüchtern, sachlich, ohne sich von Provokationen treiben zu lassen. Was nach pragmatischer Gelassenheit klingt, ist in Wirklichkeit eine politische Kapitulation: Spahn plädiert für nichts weniger als eine *Normalisierung* einer Partei, die in weiten Teilen nicht auf dem Boden der freiheitlich-demokratischen Grundordnung steht.
Natürlich: Die AfD wurde demokratisch gewählt. Millionen Bürgerinnen und Bürger haben ihr ihre Stimme gegeben, viele aus Protest, einige aus Überzeugung. Und selbstverständlich müssen diese Menschen ernst genommen werden – ihre Ängste, Sorgen und Frustrationen verdienen es, gehört zu werden. Aber das heißt **nicht**, dass man die Repräsentanten dieser Wähler, also die AfD-Abgeordneten, automatisch wie jede andere demokratische Partei behandeln muss. Zwischen Wählerwillen und Parteiverhalten gibt es einen entscheidenden Unterschied – und genau hier beginnt die Verantwortung etablierter Parteien.
Denn die AfD ist eben nicht einfach eine konservative oder „rechtspopulistische“ Partei unter vielen. Sie ist ein Sammelbecken für Demokratieverächter, Geschichtsrevisionisten und nationalistische Hardliner. In Teilen – etwa dem „Flügel“ um Björn Höcke – wurde sie vom Verfassungsschutz nicht nur als Verdachtsfall, sondern als **gesichert rechtsextrem** eingestuft. Ihre Strategie: gezielte Tabubrüche, Provokationen mit Kalkül, die bewusste Unterhöhlung parlamentarischer Gepflogenheiten und eine Sprache, die immer wieder die Grenze zum Autoritären und Menschenverachtenden überschreitet.
Einschätzung des Verfassungsschutzes: „(…) Die Unvereinbarkeit des ethnischen und kulturellen Konzepts mit der Menschenwürde (…) die Einschränkung der Religionsfreiheit sowie Verbindungen zu extremistischen Gruppen sind hinreichende Indizien gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung.“ weitere Informationen finden Sie hier.
Die NSDAP wurde auch nicht zu einer demokratischen Partei weil sie 1933 mit 43,9% in den Reichstag gewählt wurde.
Spahns Forderung, die AfD „wie jede andere Oppositionspartei“ zu behandeln, ignoriert diese Realität. Sie stellt eine gefährliche Verwechslung von formaler Gleichbehandlung und politischer Verantwortung dar. Demokratie ist kein Selbstbedienungsladen, in dem jeder, der ins Parlament gewählt wird, automatisch auch den moralischen und institutionellen Anspruch auf Gleichstellung hat – unabhängig von seinem Verhalten. Wer die Demokratie von innen heraus bekämpft, wer das Vertrauen in Institutionen gezielt zerstört, der kann nicht gleichzeitig auf demokratische Privilegien pochen. Das gilt für die AfD, und das muss auch für Jens Spahn gelten.
Der CDU-Politiker appelliert an die Vernunft, man solle sich nicht „über jedes Stöckchen treiben lassen“, das die AfD hinhält. Aber diese Stöckchen sind nicht bloß Provokationen – sie sind Teil einer gezielten Strategie, den politischen Diskurs zu verschieben. Wer sich darauf einlässt, ohne klaren Widerspruch, legitimiert dieses Spiel. „Sachlichkeit“ im Umgang mit autoritären Kräften ist kein Zeichen von Souveränität – sie kann schnell zur politischen Naivität werden.
Auch Spahns Hinweis auf „politische Ergebnisse“, etwa im Bereich der Migration, ist ambivalent. Ja, das Vertrauen vieler Bürger in die Handlungsfähigkeit des Staates ist erschüttert. Aber wer glaubt, diesen Vertrauensverlust durch eine Übernahme rechter Narrative oder eine schleichende Annäherung an AfD-Positionen zu beheben, irrt. Die CDU muss ihre eigenen Antworten finden – faktenbasiert, menschenrechtskonform, mit klarem Kompass. Sonst wird sie zur getriebenen Kraft einer Partei, deren eigentliche Agenda darin besteht, das demokratische System verächtlich zu machen.
In einer Zeit, in der die Brandmauern zur extremen Rechten in vielen Ländern bröckeln – in Frankreich, Italien, den Niederlanden – ist es besonders gefährlich, ausgerechnet in Deutschland den Eindruck zu erwecken, es handele sich bei der AfD um eine „ganz normale“ Opposition. Das ist sie nicht. Und wer das übersieht, hilft mit, den autoritären Umbau des Landes vorzubereiten – ob bewusst oder aus falsch verstandener parlamentarischer Fairness.
Spahn will die AfD nicht größer machen als sie ist. Doch mit seinem Vorschlag läuft er Gefahr, genau das zu tun.
Aktualisierung – 14. Apr. 2025
Weiterführende Informationen die belegen warum es sich bei der AfD nicht um eine normale demokratische Oppositionspartei handelt.
Sebastian Leber (Tagesspiegel) beschreibt in seiner heutigen Kolumne warum das Gutachten über die AfD immer noch nicht vorliegt. Er benennt auch die Schwachstellen im Innenministerium die eine schnelle Veröffentlichung erfolgreich verhindern – Warum das AfD-Gutachten immer noch nicht vorliegt. Der Verfassungsschutz ist nicht allein schuld.
Weitere Informationen lieferte netzpolitik.org schon 2019 – Verfassungsschutz-Gutachten zur AfD.
Desweiteren veröffentlichte die Plattform Anfang des Jahres das 1.000-seitige Verfassungsschutz-Gutachten zur AfD.
Bildquellen
- spahn_weidel: KI generiert


Das könnte auch interessieren.

Auf dem Weg ins Verderben: Fortschreitender Klimawandel und mangelnde Bereitschaft zum Umdenken
1. Januar 2024
Populismus aus dem Hause Julian Reichelt.
23. Juli 2023