Der Ursprung der Pandemie
Allgemein

Gegendarstellung zum Artikel „Der Ursprung der Pandemie und die voreiligen Schlüsse der Klimaaktivisten“

Reaktion auf den Artikel in der Berliner Zeitung vom 9.5.2025

Die Berliner Zeitung veröffentlichte am 9. Juni 2025 einen Meinungsartikel, der erneut die Laborthese zum Ursprung der COVID-19-Pandemie aufgreift. Dies geschah im Kontext einer vagen Mitteilung aus dem Weißen Haus, die mehr Fragen aufwirft als beantwortet. Unter dem Deckmantel eines vermeintlich offenen Diskurses wird erneut Roland Wiesendanger als Kronzeuge herangezogen – ein Physikprofessor ohne virologische Expertise, dessen „Studie“ von 2021 weder peer-reviewed noch methodisch wissenschaftlichen Standards genügte. Dass sie dennoch hohe mediale Aufmerksamkeit erhielt, sagt mehr über die Medienlandschaft als über den Erkenntnisstand zur Pandemie aus.

1. Behauptungen ohne Beweise bleiben Behauptungen

Sowohl 2021 als auch heute gibt es keine eindeutigen Beweise dafür, dass SARS-CoV-2 aus einem Labor stammt. Diverse US-Geheimdienste schließen eine Laborherkunft zwar nicht aus, betonen jedoch, dass es keine belastbaren Beweise gibt. Ein zoonotischer Ursprung (Übertragung von Tier auf Mensch) bleibt mindestens ebenso plausibel. Die aktuelle Mitteilung des Weißen Hauses basiert – soweit bekannt – nicht auf neuen, überprüfbaren Erkenntnissen, sondern auf einer politischen Linie, die vor allem geopolitischen Druck auf China ausüben soll.

Diese aktuelle Darstellung ist hoch umstritten und spiegelt nicht den wissenschaftlichen Konsens wider. Die Mehrheit der internationalen Fachwissenschaftler und zahlreiche Studien sehen weiterhin die sogenannte Zoonose, also die natürliche Übertragung von Tieren auf den Menschen, als wahrscheinlichste Ursache für den Ausbruch von SARS-CoV-2 an. Auch US-Geheimdienste wie die CIA und das US-Energieministerium halten einen Laborunfall zwar für möglich, geben dieser Einschätzung aber nur „niedrige Zuversicht“ und betonen, dass es keine eindeutigen Beweise gibt. Die wissenschaftliche Beweislage für einen Laborunfall ist bislang nicht erbracht.

Die Darstellung auf der Webseite des Weißen Hauses ist politisch motiviert und widerspricht der überwiegenden wissenschaftlichen Einschätzung. Es handelt sich dabei nicht um eine gesicherte Tatsache, sondern um eine politisch geprägte Position, die von vielen Expertinnen und Experten als unbelegt oder irreführend angesehen wird.

2. Wissenschaft als Mittel politischer Meinungsmache

Der Artikel der Berliner Zeitung stellt Wissenschaftlichkeit als subjektiv dar. Statt sauber zwischen Hypothesen, Indizien, Evidenz und Beweis zu unterscheiden, wird alles vermischt und pseudowissenschaftlich dargestellt. Es ist ein bekanntes Muster: Wenn man lang genug an der Tür der Wissenschaft rüttelt, öffnet sich irgendwann das Fenster der Verschwörung. Wiesendanger mag als Physiker ein geschätzter Akademiker sein, doch das verleiht ihm keine Autorität in der Virologie. Die selektive Nutzung von Quellen, die Vermischung von Einzelmeinungen mit wissenschaftlicher Erkenntnis und die Betonung von „Indizien“ ohne kritische Einordnung sind keine seriöse Methode.

3. Ideologischer Spin statt Aufklärung

Besonders auffällig ist die Polemik gegen „Klimaaktivisten“ im zweiten Teil des Artikels. Diese ist nicht nur thematisch deplatziert, sondern auch ideologisch motiviert. Der Autor konstruiert eine Verbindung zwischen der vermeintlichen Arroganz der Wissenschaft und den Forderungen der Klimabewegung – als wären engagierte junge Menschen, die sich für eine lebenswerte Zukunft einsetzen, „Gottspieler“. Diese Rhetorik ist alt: Sie diente schon in konservativen Kreisen dazu, Feminismus, Antirassismus oder Umweltbewegungen als gefährlich oder übergriffig zu diffamieren. Der Trick: Man redet nicht über Fakten, sondern über Emotionen – vor allem über Angst, Abwehr und Spaltung.

4. Der rechte Drift der Berliner Zeitung

Wer die Berliner Zeitung in den letzten Jahren beobachtet hat, erkennt eine klare Tendenz: Immer häufiger finden sich Artikel, die verschwörungsoffene Narrative reproduzieren, rechte Talking Points normalisieren und eine ressentimentgeladene Grundhaltung gegenüber Wissenschaft, Klimabewegung, Migration und sozialen Bewegungen pflegen. Dieser politische Kurswechsel wurde durch den Eigentümerwechsel 2019 (Holger und Silke Friedrich) nicht nur personell, sondern auch inhaltlich eingeleitet. Aus einem einst respektablen Blatt ist ein Meinungsvehikel geworden, das sich zwischen Cicero, Tichys Einblick und Telegram-Channels positioniert.

Fazit

Wer seriöse Diskussionen über den Ursprung von COVID-19 führen will, braucht mehr als vage Geheimdienstverlautbarungen, medienwirksame Professoren und Ressentiments gegenüber Klimabewegungen. Es braucht offene Daten, transparente Forschung und die Bereitschaft, zwischen Hypothesen und Fakten zu unterscheiden. Der Artikel der Berliner Zeitung trägt dazu nichts bei – im Gegenteil: Er bestätigt erneut, dass die Zeitung zunehmend ein Sprachrohr für wissenschaftsskeptische, ideologisch aufgeladene Narrative wird.

Fußnoten und Quellenanhänge

  1. Wiesendanger-„Studie“ (2021)
    Roland Wiesendanger: „Studie zum Ursprung der Coronavirus-Pandemie“, Universität Hamburg, Februar 2021
    👉 uni-hamburg.de
  2. WHO-Bericht zur Ursprungsforschung (2021)
    WHO-China Joint Report: "Origins of the SARS-CoV-2 virus"
    👉 who.int
  3. US-Geheimdienstberichte (2023–2024)
    Office of the Director of National Intelligence (ODNI)
    👉 dni.gov
  4. Peer-Review zur Zoonose-Theorie
    - Holmes et al. (2021), Cell 👉 DOI: 10.1016/j.cell.2021.08.017
    - Worobey et al. (2022), Science 👉 DOI: 10.1126/science.abp8715
  5. Wissenschaftsjournalistische Einordnung
    Nature, August 2022
    👉 nature.com

Bildquellen

  • coroana_labor_zooonose: KI generiert
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