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Adenauer, die Demografie – und ein Satz, der nie gefallen sein muss, um wahr zu sein

Man könnte meinen, die Debatte über den demografischen Wandel sei ein Phänomen der Gegenwart. Falsch. Schon 1957 standen Experten im Kanzleramt und erklärten Konrad Adenauer, dass sein neues umlagefinanziertes Rentensystem auf wackligen Beinen steht, wenn die Geburtenraten sinken. Ökonomen warnten. Statistiker warnten. Selbst Ludwig Erhard mahnte, man dürfe sich nicht blind auf ewiges Wachstum verlassen.

 

Und Adenauer?
Er soll geantwortet haben:

„Kinder kriegen die Leute immer.“

Dieser Satz ist historisch nicht sauber dokumentiert – aber er ist so verdammt deutsch, dass er auch ohne Beleg glaubwürdig klingt. Ein Land, das Probleme gern mit Zuversicht statt Zahlen löst, hat sich darin selbst gespiegelt. Und Adenauer wusste: Zuversicht gewinnt Wahlen. Skepsis nicht.

die rentenlüge
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Also wurde das Umlagesystem eingeführt, als würde die Babyboomer-Kurve ewig anhalten. Die Politik legte den Hebel auf „Optimismus“, stellte die Anzeigen auf „ewiges Wirtschaftswachstum“ – und ignorierte die mathematisch einfache Tatsache, dass weniger Kinder + mehr Alte = Stress im System.

Damals war das bequem. Heute ist es teuer. Damals war es politisch genial. Heute nennt man es ein strukturelles Langzeitrisiko mit Ansage. Heute wie damals geht es nur darum ein bestimmtes Klientel zu befriedigen und die nächste Wahl zu gewinnen.

Der ironische Punkt: Adenauer hätte nicht einmal wirklich sagen müssen, dass „Leute immer Kinder kriegen“. Die gesamte Reform 1957 basiert auf dieser Annahme. Sie ist der nicht ausgesprochene Untertitel des Gesetzes. Ein Konstrukt, das nur funktioniert, solange die Demografie stillhält. Sie tat es nicht.

Und deshalb sitzen wir nun sechzig Jahre später in einem System, das unausgesprochen auf einem Satz ruht, der vielleicht nie gesagt wurde – aber unser Rentenmodell präzise zusammenfasst:

Politik gewinnt man mit Hoffnung. Rentensysteme stabilisiert man mit Realität. Deutschland verwechselte beides.

Ein Niedriglöhner zahlt im Leben rund 185.000 € in die Rentenkasse ein – und bekommt dafür knapp über 800 € Rente.
Das ist mathematisch ein Sozialstaats-Placebo.

Hätte man ihn 40 Jahre lang auch nur 5 % Rentenbeiträge in einen staatlichen Weltfonds einzahlen lassen, könnte er sich im Alter 400 € mehr leisten – jeden Monat.

Deutschland spart nicht an den Rentnern.
Deutschland spart an der Realität.

Von Adenauers Hoffnung zur schwedischen Realität

So stand Deutschland also 1957 mit einem Rentensystem da, das auf der stillschweigenden Annahme beruhte, die Bevölkerung würde sich schon von selbst vermehren wie Geranien auf dem Balkon. Ein Konzept, das ungefähr so langfristig belastbar war wie ein Einkaufszettel im Regen.

Und während wir hierzulande bis heute versuchen, Adenauers Optimismus mit Subventionen, Haltelinien und politischen Beruhigungstabletten zu ersetzen, hat ein anderes Land irgendwann beschlossen:
„Wir könnten das auch einfach vernünftig machen.“

Schweden hat keine Kommissionen einberufen, um herauszufinden, ob Leute „immer Kinder kriegen“.
Schweden hat schlicht gefragt: „Was passiert, wenn sie es nicht tun?“
Und genau darauf ein Rentensystem gebaut.

Während Deutschland also weiterhin Adenauers demografisches Placebo verwaltet, hat Schweden ein Modell entwickelt, das nicht auf Hoffnung basiert, sondern auf Mathematik – und ja, manchmal tut Wahrheit eben weniger weh als politische Nostalgie.

Kurz:
Wir blättern von der deutschen Rentenfolklore um zum schwedischen Handbuch „Wie man ein System baut, das nicht schon beim ersten Realitätskontakt implodiert“.

 

In meinem nächsten Artikel werde ich europäische Rentensysteme mit dem Deutschen vergleichen und eine dezidierte Rentenreform vorschlagen, die man ohne Probleme, ab heute gerechnet, bis Anfang der 30er Jahre umsetzen könnte.

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